Die unentdeckte Wildnis in unseren
Breiten liegt in Grünstreifen, Brachen
und Rändern unserer ansonsten stark
strukturierten Kulturlandschaft.
Zwischen-Räume, die ob ihres zumeist
unbeachteten Daseins und mangelnder
Funktion Freiraum bieten für unkon-
trolliertes Tun und Wachsen.
Was man, unbedacht und mangels Aufmerk-
samkeit als 'kulturelle Entsorgungs-
räume' abtun kann, entpuppt sich bei
näherem Hinschauen und mit wachsender
Auseinandersetzung als artenreiche
Biotope und 'Meditationsräume' über
das Verhältnis des Menschen zur Natur
und die Vergänglichkeit des Seins.
Reisen an die Ränder der Ripshorst'
schen Welt - eine Feldstudie
Detlef Kelbassa und Corinna Kuhn
(Kelbassa's Panoptikum) begleiteten für
zwei Jahre - in einer künstlerischen
Feldstudie - das 'wilde' Treiben an
den Rändern von Haus Ripshorst.
In Anlehnung an die Spaziergangswissen-
schaft ('Promenadologie'/'Strollology',
s. dazu Lucius Burckhardt) sammelten
sie in zahlreichen Exkursionen zu Fuß -
entschleunigt und konzentriert auf die
bewußte Wahrnehmung - Eindrücke von
der Vielfalt an Rändern in Form von
Fundstücken, fotografisch festgehalten
oder im Original überliefert.
Das Forschungsgebiet erstreckte sich
über die geographische Grenze des
Geländes von Haus Ripshorst hinaus bis
zur Brache Vondern, entlang der Auto-
bahn A42 und dem Gleispark Frintrop.
Haus Ripshorst, Informationszentrum
Emscher Landschaftspark, ist mit dem
Gehölzgarten ein klar gestalteter
Kultur- und Natur-Raum - ein Park,
der vielfältige Funktionen und
Aktivitäten bündelt:
als Bildungsort, Naherholungsgebiet
oder Aktionsraum für Sportler, Spazier-
gänger, Radfahrer und Hundehalter.
Seine Ränder existieren weitgehend un-
beachtet als 'Paralleluniversen',
verborgen vor der ordnenden Kontrolle
gärtnerischer Pflege und der
allgemeinen
Wahrnehmung.
Hier - jenseits des Rasenmähers -
verwischen die Grenzen von Kultur und
Natur, entwickeln sich außerordentliche
Lebensgemeinschaften und Biotope,
behauptet sich die vitale, anarchische
Kraft der Natur.
Die in der Ausstellung präsentierten
Fundstücke - Fotos und Objekte - künden
von den Erscheinungsformen dieser grü-
nen Anarchie, die - alles überwachsend,
zersetzend und wiederbelebend -
kulturelle an natürliche Strukturen
angleicht:
Da verschwinden Pflanzenschilder unter
Grünspan im Grün der Umgebung;
da entwickelt sich ein entsorgtes
Kunst-
Bärenfell, bewachsen von Moosen und
anderen Kleinstlebewesen, zu einer
Miniatur-Landschaft, die sich mit den
Jahreszeiten verändert; da recken sich
metallene Bänder wie rostige Pflanzen
aus dem Boden der Sonne entgegen.
"Refugien der Anarchie" will nicht nur
den Blick auf Haus Ripshorst und seine
Welt erweitern, die Ausstellung will
auch einladen, innezuhalten, die
weissen
Flecken auf der Landkarte unserer
Wahrnehmung zu entdecken und nachzu-
denken über unser Verhältnis zur Natur
'jenseits des Rasenmähers' -
Mut zur Wildnis!